23.06.2025

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Auf Nummer Sicher gehen

01.11.1996

Während Hongkong sich auf die Wiedervereinigung mit Festlandchina vorbereitet, sind sich taiwanesische Unternehmen, die in dem Territorium aktiv sind, der Risiken des Souveränitätswechsels bewußt. Sie hoffen auf das Beste, sind aber auf das Schlimmste vorbereitet.

Erfolgreiche Geschäftsleute und Investoren haben wie Glücksspieler die Notwendigkeit begriffen, das Risiko möglichst zu verteilen. Und das haben taiwanesische Unternehmen mit Niederlassungen in Hongkong seit Mitte der achtziger Jahre praktiziert, im vollen Bewußtsein der baldigen Übergabe Hongkongs an das chinesische Festland 1997. Die meisten setzen Vertrauen in die Zukunft des künftig Sonderverwaltungszone Hongkong genannten Territoriums, doch mit dem Countdown hat Taiwans Verhältnis zu Festlandchina große Besorgnis um die in Hongkong etablierten taiwanesischen Geschäftsleute ausgelöst. Was passiert, wenn sich die Beziehungen zwischen beiden Seiten der Taiwanstraße weiterhin verschlechtern? Was passiert, wenn Peking den Geschäftsverkehr der taiwanesischen Unternehmen in Hongkong einschränkt? Was passiert, wenn ... ?

Die 1990 in Kraft getretene Lockerung der Verbote des indirekten Handels und der Wirtschaftskontakte mit Festlandchina führte zu einem großen Ansturm taiwanesischer Investoren auf der Suche nach lukrativen Geschäftsmöglichkeiten in der Volksrepublik. Da aber Taiwan nach wie vor direkte Investitionen und Handel mit dem Festland verbietet, wird der wirtschaftliche Austausch zwischen den beiden Seiten der Taiwanstraße über Hongkong geleitet. "Die Politik des 'indirekten' Handels und Investitionen heißt, Taiwans Firmen müssen sich einen dritten Standort suchen, über den Handel und Investitionen mit dem Festland laufen", erklärt Wu Chieh-ming(吳傑民), Direktor der Far East Trade Service Inc. (FETSI), die Vertretung des Wirtschaftsministeriums der Republik China in Hongkong. "Da rückt Hongkong ins Bild. Aufgrund seiner hohen Leistungsfähigkeit als Transithafen, seines gesunden Justizsystems und seinem internationalisierten Bank- und Finanzsektor ist Hongkong erste Wahl für die Unternehmen Taiwans, die in Festlandchina Geschäfte machen."

Die bevorstehende Übergabe Hongkongs an die Volksrepublik hat den Enthusiasmus taiwanesischer Firmen, sich hier niederzulassen, in keinster Weise gedämpft. Offizielle Statistiken belegen, daß Hongkong nach Malaysia und den USA der drittgrößte Empfänger taiwanesischer Auslandsinvestitionen ist. Von allen Unternehmen, die vorhaben, in Hongkong zu investieren, wird theoretisch eine Genehmigung der Regierung der Republik China verlangt, aber die Statistiken deuten darauf hin, daß Investoren, die sich daran halten, zur Minderheit zählen.

Laut der Investitionskomission des Wirtschaftsministeriums wurden in der Zeit von 1958 bis Mai 1996 von der Regierung der Republik China 353 Anträge taiwanesischer Unternehmen auf Investitionen in Hongkong im Gesamtwert von mehr als 720 Millionen US$ bewilligt. Im Gegensatz dazu schätzt die FETSI die Anzahl der Unternehmen in taiwanesischem Besitz bzw. in Hongkong agierende Investoren auf über 3000, und der Gesamtwert ihrer Investitionen beläuft sich auf über vier Milliarden US$. "Diese Summe entspricht noch nicht der Realität", sagt Wu. "Wenn man die vielen Scheinfirmen miteinbezieht und das Geld, das durch sie geschleust wird, erhöht sich die Zahl auf mehr als 10 000 mit einer Gesamtinvestition von über zehn Milliarden US$."

Im- und Exportstatistiken sind ein besserer Maßstab für den Umfang der Handelsbeziehungen zwischen Taiwan und Hongkong. 1995 erreichte der bilaterale Handel 26,1 Milliarden US$ und wies einen Überschuß von 20 Milliarden US$ zugunsten Taiwans auf. Hongkong gilt in Taiwan mittlerweile als der Exportmarkt mit dem schnellsten Wachstum. Den größten Teil dieser wirtschaftlichen Aktivitäten stellt der indirekte Handel zwischen Taiwan und dem Festland dar.

Für die meisten der in Hongkong niedergelassenen taiwanesischen Unternehmen verläuft alles ganz einwandfrei, und sie behaupten auch, sich nach der Übergabe des Territoriums nicht zurückziehen zu wollen. Sie suchen jedoch nach Wegen, mit den Risiken, die in Zukunft unter der neuen Verwaltung entstehen könnten, fertig zu werden.


Um auf dem Festland Geschäfte zu machen und Investitionen zu tätigen, hat einer der in Taiwan führenden Gefriergemüsehersteller, Asia Frozen Foods Corporation, im März 1990 die Asia Foods (HK) Ltd. gegründet. Sophia Lin(林青樺), Geschäftsführerin der Asia Foods (HK) Ltd., erklärt, daß es zwei Hauptgründe für die Niederlassung in Hongkong gegeben habe. "Erstens, weil die Politik der Republik China nur indirekte Investitionen auf dem Festland erlaubt und wir uns an die Regeln halten wollten", sagt sie. "Zweitens werden aufgrund Hongkongs gut ausgebauter Transportinfrastruktur und dem Bankwesen der Warentransport und finanzielle Aktivitäten effizienter und zuverlässiger abgewickelt als auf dem Festland. Die Republik China hält auch an vielen einschränkenden Regelungen über den Kapitalfluß fest, ein weiterer Grund, unsere Finanzen hier zu regeln. Im großen und ganzen ist Hongkong der beste Ort, von dem aus unsere Aktivitäten im Festland geleitet werden können."

Die Asia Frozen Corp. wurde 1988 mit einer Joint-venture-Fabrik in Xiamen, Provinz Fukien, auf dem Festland aktiv. Mit der Gründung von Asia Foods (HK) Ltd. zwei Jahre später ging die Joint-venture-Firma als Tochterunternehmen in den Besitz der Asia Foods (HK) Ltd. über. Die Zentrale des Unternehmens befindet sich zwar weiterhin auf Taiwan, aber das Zentrum der Produktion wurde auf das Festland verlegt, wo es sechs Fabriken besitzt und zwei Joint-ventures unterhält, die die Produktion und Umsätze der Fabriken in Taiwan bereits übertroffen haben. Warentransport, Verwaltung, Finanzen und Buchhaltung jedoch werden von Hongkong aus geleitet.

Werden die Geschäfte des Unternehmens durch die Rückgabe Hongkongs an Festlandchina beeinflußt? Ja und Nein, meint Lin. "Die Übernahme wird keinen großen Einfluß auf unsere Aktivitäten auf dem Festland zur Folge haben", meint sie. "Aber unser Unternehmen in Hongkong wird ab dem 1. Juli 1997 nicht mehr als ausländische, sondern als eine in Festlandchina registrierte Firma gewertet." Das bereitet Lin einige Sorgen, denn im Falle einer Verschlimmerung der Spannungen zwischen Peking und Taipei könnten die im Sonderverwaltungsgebiet Hongkong niedergelassenen taiwanesischen Firmen zu politischen Trumpfkarten werden oder sogar zu Geiseln.

Nach Besprechungen mit Steuerberatern und Anwälten hat die Asia Foods (HK) Ltd. schließlich beschlossen, auf den Cook-Inseln im Südpazifik eine Dachgesellschaft zu gründen. "Steuern waren ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung", erklärt Lin. "Obwohl die Körperschaftssteuer in Hongkong gerade bei 18 Prozent liegt, kann man sich nicht darauf verlassen, daß die neue Verwaltung keine weiteren Steuererhöhungen erlassen wird. Der Hauptgrund war allerdings, die Gefahr eines allzu großen Risikos nach der Übergabe zu vermindern. Unter der neuen Regierung in Hongkong können wir nicht mehr den Schutz vor Peking genießen, den wir unter britischer Verwaltung noch hatten. Unser Unternehmen woanders zu registrieren ist unsere Art und Weise, auf Nummer Sicher zu gehen." Das Unternehmen denkt auch daran, in Vietnam, wo Arbeitskräfte billig sind und kaum Störungen durch die Launenhaftigkeit der Beziehungen über die Taiwanstraße zu erwarten sind, Fabriken zu eröffnen und zu investieren.

Taiwans führender Möbelhersteller, die UB-Gruppe, beschloß zur Zeit des absoluten Tiefpunkts im Vertrauen auf die Zukunft des Territoriums - kurz nach dem Massaker auf dem Tiananmen-Platz in Peking am 4. Juli 1989 -, ein Joint-venture in Hongkong zu gründen. Wenn auch sonst in Hongkong alles teuer war, Immobilien waren zu dieser Zeit billig zu haben. Das Unternehmen erwarb einen 1170 qm großen Ausstellungsraum und ein Büro mit 140 qm im Viertel Causeway Bay auf Hong Kong Island. UB Office Systems (HK) Ltd. wurde im Mai 1990 gegründet und verkauft von den taiwanesischen Fabriken der UB-Gruppe hergestellte Möbel sowie amerikanische und europäische Marken.

Hongkong war der erste Expansionsversuch der UB-Gruppe ins Ausland. "Zu der Zeit fanden viele Leute die Gründung einer Firma in Hongkong ziemlich verwegen", sagt Levin Liu(劉建軍), stellvertretender Geschäftsführer der UB-Tochter in Hongkong. "Aber wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, und es war eindeutig die beste Entscheidung. Hongkongs Wirtschaftsklima, die Infrastruktur sowie die effiziente Transport- und Zollabfertigung gaben den letzten Schliff, unser internationales Geschäft und Image hier aufzubauen." Inzwischen hat die UB-Gruppe noch Fertigungsanlagen in Singapur und Thailand errichtet.

Auch Liu stimmt der Annahme zu, daß nach 1997 alle Unternehmen, seines inklusive, den Wechsel zu spüren bekommen werden. Die Immobilienpreise stagnieren, und der Verkauf von Möbeln in den höheren Preisklassen verläuft schleppend. Dafür hat eine steigende Nachfrage nach den praktischen und erschwinglichen Möbeln der UB-Gruppe den allgemeinen Rückgang im Geschäft wettgemacht. "Keiner weiß genau, was nach 1997 mit Hongkong passieren wird", sagt Liu. "Die meisten warten einfach nur ab, und viele beschränken sich auf Kurzzeitplanung und -investitionen. Praktische und preisgünstige Produkte passen sehr gut zu einer Gesellschaft, die sich wie Hongkong im Übergangsstadium befindet. Das kommt unserem Geschäft zugute. Luxusgüter finden in diesen Tagen kaum Abnehmer." Liu nimmt an, daß diese konservative Konsumverhalten mindestens bis einige Jahre nach der Übergabe anhalten wird.

Um die Zeit vor der Übergabe zu nutzen, hat die UB-Gruppe den zweiten Teil ihrer Überseexpansion gestartet - die Gründung von Fertigungsanlagen auf dem chinesischen Festland. Ende 1995 erwarb das Unternehmen eine riesige Parzelle im Industriepark Kunshan in der Nähe von Schanghai. Der Bau von fünf Fabriken und einem Lagerhaus hat bereits Anfang 1996 begonnen, die Eröffnung des Betrieb ist für 1997 geplant. "Da kommt natürlich die Frage auf, warum wir so kurz vor der Übergabe Hongkongs an Festlandchina diese 22 Millionen US$ investiert haben", sagt Liu. "Aber wir haben vorher wieder unsere Untersuchungen angestellt. Wir haben die Durchführbarkeit des gewagten Unternehmens 1991 genauestens geprüft und waren ziemlich sicher, daß dies der richtige Weg war. Aber um sicherzugehen, hat die Konzernleitung die endgültige Entscheidung bis Ende 1995 aufgeschoben."

Liu betont, daß die Investition seines Unternehmens auf dem Festland eine auf realistische Überlegungen basierende Geschäftsentscheidung sei. "Um das Überleben einer Handelsgesellschaft zu garantieren, muß sie weiter investieren, muß sie einen neuen Markt und billigere Standorte für die Produktion suchen", sagt Liu. "Wo suchen wir also? Am besten in billigen Entwicklungsländern. Es gibt einige Möglichkeiten in der Region, aber für taiwanesische Investoren bietet das Festland den Vorteil der gemeinsamen Kultur und Sprache. In Anbetracht des politischen Systems und des Justizwesens ist das Risiko natürlich groß, aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt, heißt es doch. Wir sind bereit, es darauf ankommen zu lassen."

Die UB-Gruppe hat beschlossen, ohne große Veränderungen mit dem Geschäftsablauf in Hongkong als auch auf dem Festland weiterzumachen. Sie hat weder die Firmeneintragung noch die Geschäftsstrategie geändert." Natürlich hat man Selbstvertrauen, wenn man auf etwas zurückgreifen kann", meint Liu. "Wir werden uns in Hongkong und Schanghai auch weiterhin bemühen, haben aber deshalb der Entwicklung unserer Geschäfte in Singapur und Thailand nicht weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Falls hier oder auf dem Festland etwas schiefgeht, haben wir auch noch andere Stützpunkte."


Die National Securities Corp. (NSC) ist eine der führenden Wertpapierhandelsfirmen Taiwans. Im April 1994 hat die Firma ein Joint-venture mit Lippo Services in Hongkong gegründet. Die daraus hervorgehende Neugründung, NSC Securities (Asia) Ltd. [NSC (Asia)] wurde in demselben Jahr an der Börse in Hongkong zugelassen. Im darauffolgenden Jahr erweiterte die NSC (Asia), nachdem sie sich auch in Taiwan einen Namen gemacht hatte, ihren Geschäftsbereich bis in die Börse Taiwans und untersucht gerade das Potential von Finanzierungen und Finanzdienstleistungen für in Festlandchina operierende taiwanesische Unternehmen.

Die NSC hat Hongkong als Sprungbrett zur Internationalisierung genutzt, weil die dortige Börse in puncto Kapitalisierung die fünftgrößte der Welt ist und mehr als 600 Wertpapierhändler aktiv am Markt beteiligt sind. Weiterhin bestätigt die Tatsache, daß zehn der weltweit wichtigsten Brokerfirmen in Hongkong Niederlassungen gegründet haben, die Wichtigkeit der Börse. "Hier bekommt man Informationen über neue Produkte auf dem Markt aus erster Hand", sagt Feng Lei-ming(馮雷明), Direktor der NSC (Asia). "Das ist einer der wenigen Standorte, an dem man den globalen Wertpapiermarkt überwachen kann und gleichzeitig Zugang dazu hat. Auch das Umfeld ist viel freier als in Taiwan, wo es zu viele Einschränkungen gibt."

Feng Lei-ming ist überzeugt, daß Hongkongs Stellung als ein wichtiges internationales Finanzzentrum auch nach der Rückkehr des Territoriums unter die Kontrolle Festlandchinas nicht gefährdet sein wird. Er argumentiert, daß das Festland riesige Mengen Kapital anziehen muß, um die nationale und wirtschaftliche Entwicklung zu finanzieren und damit Hongkong weiterhin der primäre Stützpunkt für den Zugang zu Investitionen aus dem Ausland bleiben wird. "Ich nehme sogar an, daß Hongkong noch aggressiver als unter der jetzigen Führung versuchen wird, einen Verfall des Marktes zu verhindern", sagt Feng voraus. "Die Anzahl der an der Hongkonger Börse notierten festlandchinesischen Unternehmen sind ein eindeutiger Beweis dafür."

Die NSC (Asia) ist einer der 15 Börsenmakler mit taiwanesischer Beteiligung, die zur Zeit in Hongkong operieren. Alle sind während der letzten drei Jahre eingestiegen, und die meisten bieten Dienstleistungen für an Investitionen in Taiwan interessierte Kunden aus Hongkong an sowie für taiwanesische Kunden, die in Hongkong und auf dem Festland Kapital anlegen wollen. Weil die Nachfrage nach solchen Dienstleistungen wächst, werden trotz des Schattens über 1997 weitere Büros taiwanesischer Maklerfirmen in Hongkong eröffnet.

"Keiner von uns wird aus Hongkong abziehen, es sei denn, die Beziehungen über die Taiwanstraße verschlechtern sich in einem solchen Maße, daß Peking den Unternehmen in Hongkong Investitionen in Taiwan - eine unserer wichtigsten Geschäftsquellen - verbietet oder Devisenbeschränkungen verhängt", meint Feng Lei-ming. "Wenn wir von vornherein an einen Abzug vor 1997 oder kurz danach gedacht hätten, hätten wir uns hier gar nicht erst niedergelassen. Wir haben die Risiken und den potentiellen Gewinn abgewogen und beschlossen zu kommen. Zu diesem Zeitpunkt sind wir noch ein relativ kleiner Fisch auf dem Markt, also steht für uns auch nicht so viel auf dem Spiel." Die Firma hat in Betracht gezogen, sich in einem ausländischen Handelsregister eintragen zu lassen, aber es wurden noch keine Änderungen vorgenommen. Außerdem benötigt eine Eintragung keinen großen Aufwand und ist leicht durchzuführen.

Die Chang Hwa Commercial Bank ist eine der vier Banken mit Sitz in Taiwan, die in Hongkong Filialen haben. Ihr Verbindungsbüro wurde 1991 gegründet und Ende 1994 zur Filiale erweitert. Wie bei den Börsenmaklern besteht die Zielgruppe aus taiwanesischen Geschäftsleuten mit der Absicht, auf dem Festland zu investieren. "Jeder taiwanesische Unternehmer auf dem Festland braucht einen finanziellen Service", sagt Liu Chin-chao(劉青超), Vizepräsident und geschäftsführender Direktor der Chang Hwa-Zweigstelle in Hongkong. "Sie wären begeistert, wenn wir auf dem Festland Filialen gründen könnten, aber unsere Regierung erlaubt es nicht. Also müssen sie sich mit unseren Diensten in Hongkong begnügen. Hier sind wir ein Lückenfüller. Die Banken in Hongkong sind mit Taiwans Firmen nicht vertraut und zögern, Kredite oder Devisenservice anzubieten, wogegen unsere Zweigstellen über ganz Taiwan verteilt sind und wir problemlos die Kreditwürdigkeit überprüfen und die Leistungen der taiwanesischen Unternehmen bemessen können. Aus diesem Grund mischen wir mit." Liu fügt hinzu, daß 90 Prozent seiner Kunden auf dem Festland aktive taiwanesische Betriebe seien.

Die Stimmung unter den Bankern aus Taiwan ist voller Selbstvertrauen. Sie sind überzeugt, das Festland brauche Hongkong, um ausländisches Kapital zur Entwicklung des Landes anzuziehen. "Das Finanzwesen Festlandchinas ist noch ziemlich schlecht", erklärt Liu Chin-chao. "Also hängt es von Hongkong ab, finanzielle Dienstleistungen an Unternehmen, die im Festland investieren, zur Verfügung zu stellen. Hongkong bleibt solange unersetzlich, bis Schanghai zum internationalen Finanzzentrum herangereift ist, was noch weitere zwanzig bis dreißig Jahre dauern wird." Liu möchte allerdings nicht allzu optimistisch klingen, wenn er über Hongkongs Zukunft redet, aber er hofft doch, daß Peking mit einer vernünftigen Einstellung an die Führung der zukünftigen Sonderverwaltungszone herantritt. "Vom taiwanesischen Standpunkt aus gesehen sollte Peking meiner Meinung nach die Hände davon lassen, in Hongkong allzuviel herumzupfuschen", meint er. "Vielleicht entsteht hier ein Modell für eine friedliche Wiedervereinigung mit Taiwan. Wenn sie es in Hongkong vermasseln, erschwert dies auch die folgenden Schritte für eine Wiedervereinigung."

Für den Fall einer Verschlechterung der Beziehungen treffen die Chang Hwa Bank und die drei anderen Banken aus Taiwan mit Vertretungen in Hongkong entsprechende Vorkehrungen. Liu verweist auf die verbreitete Strategie des "Kurzzeitmanagements". Sie mieten Büroräume anstatt sie zu kaufen; die Einzahlungen der Kunden in Hongkong-Dollar werden in britischen Banken, Einzahlungen in US-Dollar in amerikanischen Banken hinterlegt. Auch leihen die taiwanesischen Geldinstitute von anderen Banken Geld zu einem niedrigen Zinssatz, verleihen es weiter zu einem höheren Zinssatz, und verdienen die Differenz. "Im Prinzip geht es darum, mehr Schulden als Vermögen zu haben," sagt Liu. "Falls Peking unseren Besitz beschlagnahmt, haben wir nichts außer einigen Computern und Möbeln zu verlieren." Er fügt noch hinzu, daß seine Bank weder Langzeitfinanzierungen anbietet noch selbst eine Strategie für eine langfristige Entwicklung hat.

Niemand kann wirklich das Schicksal der Geschäftswelt und des wirtschaftlichen Umfelds in Hongkong nach dem Juli 1997 voraussagen. Das momentane Ziel der taiwanesischen Unternehmen lautet, das Heu einzufahren, solange die Sonne scheint, aber auch auf Regen vorbereitet zu sein.

(Deutsch von Herbert Salvenmoser)

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